Montag, 16. Dezember 2019

Tello


Einmal in der Woche komme ich zufällig, also wegen eines anderen Termins, beim Conrad vorbei. Dort bin ich schon lange um die Quadrocopter herum geschlichen. Wenn ich irgendwelche elektronischen Bauteile gebraucht habe, und schon alles gehabt habe was ich brauche, dann habe ich noch in der Modellbau-Abteilung vorbei geschaut.

So auch diesmal. Der kompetente und kurz vor Ladenschluss noch motivierte Verkäufer hat mich gefragt ob er helfen kann, und ich habe ihn nach einer Drohne gefragt die in mode 1 zu fliegen ist. Ich bin mode 1 gewohnt, und die meisten billigen Fernsteuerungen sind fix in mode 2 belegt. (mode bezeichnet die Funktion der Steuerknüppel, mode1 = Gas rechts, mode2 = Gas links)

Er hat es nicht sicher gewusst, hat aber gleich nachgeschaut. Die app hat sich auf Mode 1 umstellen lassen und er ist durch die Gänge geflogen. Die Tello stabilisiert sich mit Hilfe einer Kamera. Beide Knüppel loslassen und sie steht in der Luft. Schon hat sie mir gehört.




Standardmäßig wird die Tello mit dem Handy gesteuert. Der Verkäufer hat mir einen gameSir T1d Controller (= Sender) um ca. 30€ empfohlen der per Bluetooth mit dem Handy verbunden wird. Das Handy wird mit einer Halterung am Controller fixiert. Das Protokoll dieser Bluetooth-Verbindung ist proprietär, also der Controller lässt sich nicht wie ein "normales" Bluetooth-Gerät koppeln. Eine andere app wie z.B. einen Modellflugsimulator mit dem gameSir zu steuern geht leider nicht, sofern die app nicht speziell dafür gebaut ist.

Umgekehrt, man kann manche andere controller wie z.B. Nintendo Controller, dazu verwenden den Tello zu steuern.

Von meinen Modellen bin ich gewohnt die Funktion der Fernsteuerung, also die Ansteuerung der einzelnen Achsen, am Boden zu überprüfen. Beim Quadrocopter geht das natürlich nicht (oder ich habe noch nicht herausgefunden wie es geht). Aber durch die Stabilisierung ist das kein Problem. Abheben, und wenn es nicht wie gewollt geht, landen. Dafür muss man nur einen Button klicken, Tello landet automatisch.





Die Möglichkeiten Geld auszugeben sind nach oben offen. Mit ca. 100€ handelt es sich bei der Tello um ein Spielzeug.


ACHTUNG! 

Es gibt ganz ähnliche Tello's die von den Daten her gleich sind, sich aber in der Firmware und der SDK (System Design Kit, siehe unten) unterscheiden.  Tello EDU verwendet SDK 2.0, der normale Tello verwendet eine frühere SDK (Version nicht auslesbar).

Nicht überraschend ist Tello EDU teurer. Versuche, die EDU Firmware auf einen normalen Tello zu laden sind fehlgeschlagen, siehe hier und hier.


Die Stabilisierung, großspurig Autopilot genannt, funktioniert eben optisch. Dazu müssen verschiedene Bedingungen erfüllt sein wie ausreichendes Licht (Nachtflug geht nicht), strukturierter und unbeweglicher Grund (über Wasser geht's auch nicht) etc. Die Tello kann auch ohne Stabilisierung geflogen werden, aber das können billigere Quadrocopter auch.

Das Kamerabild wird per WLAN zum Handy gefunkt wo es als Foto oder Video aufgezeichnet wird. Das ist gleich eine Schwachstelle der Tello, denn die Übertragungsgeschwindigkeit und -qualität über dieses Medium ist begrenzt. Ein Micro-SD-Karten-Slot wäre technisch kein Problem für den Hersteller, das hat rechtliche Gründe. Ein Fluggerät das eine Kamera mit Aufzeichnungsfunktion an Bord hat ist (zumindest nach derzeit in Österreich geltendem Recht) genehmigungspflichtig. Dass das Handy die vom Fluggerät empfangenen Daten aufzeichnet dürfte in den Graubereich oder in eine Gesetzeslücke fallen. 

Block-Artefakte und Ruckler kommen im Video vor. Die verscheidenen Apps bieten verschiedene EInstellmöglichkeiten um es zu verbessern. Ein WiFi-repeater soll auch helfen. Fotografieren geht viel besser. Die Auflösung ist 1280*720, also HD aber nicht full HD. 30 Bilder/Sekunde.



ACHTUNG! 

In den Werkseinstellungen ist das WLAN offen, d.h. jeder der in der Reichweite ist (Bürohaus, Wohnhaus,...) kann sich verbinden und z.B. das Kamera-Bild auslesen. 

Es kann zwar immer nur ein Benutzer aktiv sein, aber wenn Tello eingeschaltet ist und keine app aktiv ist, sind die Daten für andere zugänglich. 

Aus Sicherheitsgründen sollte ein WLAN-Password eingerichtet werden.



Die Kamera ist wie bei allen Drohnen dieser Preisklasse nicht schwenkbar sondern fix waagerecht eingebaut. Schade, denn der Blick nach unten ist beim Fliegen der interessanteste. Sie müsste ja nicht im Flug verstellbar sein, es würde genügen sie vor dem Flug händisch zu schwenken. Vielleicht lässt sich mit einem (Oberflächen-) Spiegel ein Blick hinunter realisieren.

EDIT: Das hat auch jemand anderen gestört und er hat eine Lösung: Mit dem 3D-Drucker einen Kamera-Adapter machen, siehe https://www.thingiverse.com/thing:3116704

Das Fliegen mit der Stabilisierung ist deppensicher.

Dass die Höhe mit dem Gas gesteuert wird ist trotz gewohntem mode ungewohnt. Und dass man drücken muss um zu steigen, das muss man erst einmal verinnerlichen. Bei einer der verwendeten apps (siehe unten) könnte man den Knüppel invertieren.

Der Akku soll 13 Minuten halten und benötigt 1,5 Stunden zum Aufladen. Wahrscheinlich wurden diese 13 Minuten ohne Propeller-Schutz gemessen, das zusätzliche Gewicht und der zusätzliche Luftwiderstand fordern ihren Tribut.

Auch wenn es nur 11 Minuten sind ist das lang, aber 1,5 Stunden sind auch lang. Fade G'schicht, vor allem beim programmieren (siehe später). Zusatz-Akkus und Ladegeräte sind relativ teuer. Allein schon deshalb weil der Akku direkt im Rumpf mit Kontakten einrastet statt mit einem Stecker verbunden zu werden. Das ist zwar schneller und einfacher zu bewerkstelligen, benötigt aber eine spezielle Bauform des Akkus.

Optisch wirkt Tello fragil, aber die Arme und die abnehmbaren Propeller-Käfige sind aus weichem Plastik, so dass sie wahrscheinlich den einen oder anderen Absturz überstehen. Auch die Propeller sind flexibel. Reserve-Propeller und ein Werkzeug zum Abnehmen der Propeller sind dabei.

Da die Original-app schlechte Kritiken bekommen hat habe ich mir gleich zwei (kostenpflichtige) apps von Drittanbietern installiert. Die schlechten Kritiken konnte ich nicht bestätigen bis sich mein Handy auf Android 10 updatet hat, und die anderen apps sind ihr Geld wert. Hier ist ein Vergleich der apps.


ACHTUNG! 

Zur ersten Inbetriebnahme ist die Original-app erforderlich! 
Wenn diese nicht läuft (Android 10!), hast du ein Problem.


Meine Lösung: Bluestacks (Android-Emulator für den PC). Ich weiß nicht welche Android-Version bei meiner Bluestacks-Installation emuliert wird, aber es hat geklappt.


App-Vergleich
Name Tello Tello FPV aTelloPilot
Version 1.3.0.0 1.5d P 0.7
Hersteller Shenzhen RYZE Volate!lo PingguSoft
läuft unter Android 10 nein, nur bis Android 9 ja ja
IOS (iPhone,...) ja nein nein
gameSir Controller jedes Mal händisch aktivieren automatisch aktiviert button drücken
Stick-Belegung Mode1/Mode2 frei belegbar, Kanäle invertierbar, expo Mode1/Mode2, expo
Lehrer/Schüler nein ja (z.B. einer steuert mit dem gmeSir und einer wischt am Handy) nein
Video Qualität wähl-bar "hoch"/"niedrig" Einstellmöglichkeiten für Bitraten und IFrame interval.
Bessere Video-Qualität
viele Einstellmöglichkeiten, raw video
Foto/Video Auslöser Tasten am Controller Tasten am Controller, frei belegbar,Video kann automatisch mit dem Abheben gestartet werden.  Tasten am Controller (funktioniert???)
Mission planner nein nein ja
Objekt- und Gesichts-erkennung und -verfolgung nein nein ja
Audio nein  über Handy-Mikrofon, ist aber nicht synchron zum Bild über Handy-Mikrofon, ist aber nicht synchron zum Bild
Sprachausgabe nein nein ja, nervig, abschaltbar
Dokumentation minimal pdf, englisch, 35 Seiten wiki in github für Versionen 0.5 und 0.6

Dass es keine oder wenige apps für das iPhone gibt hat rechtliche Gründe. Der Entwickler von Tello FPV hat sich da die Nase blutig gestoßen und hat es aufgegeben (sie hier).

Die in der Tabelle angeführten apps haben die gleiche Funktionalität wie die original-app und können an ihrer Stelle verwendet werden, es gibt noch jede Menge weitere. Bei der Suche nach "tello" in Google Play Store habe ich schnell einmal 14 Apps gezählt. Nicht mitgerechnet sind die DJI apps.

Unter anderem eine scratch-basierende Programmierumgebung, genannt DroneBlocks.

Zusätzlich bietet der Hersteller ein SDK (System Design Kit), also eine Schnittstelle zum Entwickeln eigener Programme, an. Darüber werde ich das nächste Mal berichten.

Links: 

https://www.ryzerobotics.com/de

Forum: https://tellopilots.com/

computerbild Tello-Mini-Drohne-Test

https://www.drohnen.de/18821/ryze-dji-tello-test/

Buying a Ryze Tello Drone? Watch This First!
https://www.youtube.com/watch?v=yQoC_n6126A

Tello FPV http://tellohq.com/tellofpv-gives-you-total-control-over-your-tello/

Scratch: https://www.halfchrome.com/program-the-ryze-tello-with-scratch/

aTelloPilot https://tellopilots.com/threads/another-tello-pilot-android-app.1634/
aTelloPilot Face tracking https://www.youtube.com/watch?v=iqH2i2DYx3M

3D-Druck: Thingiverse - Tello

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