Besuch beim Kirchert, ein paar Kleinigkeiten besorgen und im Stapel der Modellbau-Zeitschriften stöbern. Da ist sie: Auf dem Titelbild des "SchiffsModell"-Magazins 07-2017, unter der Überschrift "Keep sailing", ein Knickspant-Segelboot als Bauplan-Projekt. Ein Wunsch den ich schon lange gehegt habe.
Auf der Titelseite habe ich sie für eine moderne Yacht gehalten, aber im zugehörigen Artikel ist zu erfahren dass der Riss aus dem Jahr 1921 stammt. Und zwar von dem Konstrukteur Arthur Tiller, eine Legende im Bootsbau. Aus seiner Feder stammen sowohl Modelle als auch "manntragende" Boote bzw. Schiffe.
Ein Sharpie ist ein Knickspant-Boot mit rechteckigem (bzw. trapezförmigem) Querschnitt, dessen flacher Boden also aus einer einzigen durchgehenden Planke gefertigt werden kann.
Klaus Bartholomä, Autor des Artikels, hat zwei Prototypen gebaut und ihren Nachbau detailliert und gut verständlich beschrieben. So begeistert wie er von dem Boot schreibt muss man es einfach bauen! Den von ihm handgezeichneten Plan gibt es auf der Homepage des Verlags zum Download.
Da hat es für mich eine Hürde gegeben: Wo ist der Link zum Plan? Was ich nicht ahnen konnte: Der riesige, fette Download-button auf der rechten Seite, der so aussieht wie die nervigen Download-Buttons die man immer versehentlich anklickt wenn man einen Treiber updaten will und sich damit fälschlicherweise irgendeine (Spionage?-) Software auf den Rechner lädt, der führt tatsächlich zum Plan. Ich habe den button gar nicht gesehen weil ich ihn unbewusst ausgeblendet habe, er war für mich ein "Invisible Gorilla".
Holzteile mit dem Laser schneiden lassen? Gerold Kirchert meint dass er ziemlich viel (kostenpflichtige) Arbeit damit hätte, den Plan auf CAD neu zu zeichnen um ein Programm für den Laser zu erstellen. Planken und Deck gehen sowieso nicht, weil sie zu groß sind.
Also doch mit der Stichsäge, die Küche verwandelt sich zeitweise in eine Tischlerwerkstatt. Nachdem ich ein paar Flugzeuge aus Balsa gebaut habe, ist die Arbeit mit "echtem" Holz ungewohnt. Klaus Bartholomä hat seine Sharpies mit 4mm Pappel-Sperrholz beplankt und anschließend laminiert. Damit kann man jemanden erschlagen! Ich entscheide mich gefühlsmäßig für 2mm Planken und 1,5mm Deck aus Birkensperrholz und verzichte (zumindest vorerst) auf das Laminieren. Die Hoffnung dass das Boot dadurch leichter wird hat sich nicht erfüllt, ganz im Gegenteil.
4mm Sperrholz hätte außerdem den Vorteil dass man es im Baumarkt bekommt, für 2mm Sperrholz muss man ins Modellbau-Geschäft.
Klaus Bartholomä hat sich eine besondere Methode zum Zusammenbau ausgedacht. Die Spanten werden auf der Bodenplanke aufgestellt und dann werden die Bordwände angeklebt wobei sich die Biegung der Bodenplanke aus der Form der Bordwände ergibt. Er bezeichnet diesen Arbeitsschritt treffend als "Klebeschlacht".
Die Klebeschlacht ist geschlagen.
Das Cockpit hat eine Funktion bekommen: In die Vorderwand habe ich einen Schalter und eine Ladebuchse eingebaut so dass ich das Boot in Betrieb nehmen kann ohne den Lukendeckel zu öffnen. Außerdem einen Taster und eine 4-Farben-LED für künftige elektronische Spielereien. Um diese Einbauten vor Spritzwasser zu schützen habe ich das Cockpit mit einem Süll aus 5mm Kiefernleisten versehen.
Empfänger und Ruderservo versorge ich über einen BEC (battery eliminating circuit = Spannungsregler) mit 5V.
Die Segelwinde Modelcraft RS10 wird direkt vom 2S-Lipo-Akku mit 7,4V betrieben (ausgelegt ist sie für 7,2V, sie wird es hoffentlich aushalten). Dadurch erhöht sich ihre Stellgeschwindigkeit gegenüber dem Betrieb mit 5V oder 6V.
Die Segelwinde ist ziemlich laut obwohl ich sie mit Gummipuffern montiert habe, man hört sie auch auf dem Wasser aus größerer Dinstanz.
Laut Baubeschreibung wird die Schot mit einem Gummiseil auf Zug gehalten, wobei die Segelwinde immer gegen den Zug des Gummiseils arbeiten muss. Da die Deckdurchführungen nur paarweise zu beziehen sind habe ich aus der Not eine Tugend gemacht und vorne und achtern je eine Deckdurchführung angebracht, so dass die zweite Spur auf der Trommel der Segelwinde die lose Part einholt und eben nicht gegen gegen den Zug des Gummiseils arbeiten muss (Closed Loop System).
Kiel, Boden und Bordwände beize ich mahagonifarben, das Deck eichenfarben. Das sieht edel aus, das Boot wird ein Schmuckstück für die Wohnung. Lack habe ich bei "all-color F.Windisch GmbH - ADLER Farbenmeister", ehem. Beck Koller und Co in der Wiener Innenstadt besorgt. Dort hat man mir zu Leinölfarben geraten. Der Klarlack aus naturbelassenen Rohstoffen riecht angenehm und sieht ganz gut aus, aber für das Dekor musste ich ebenfalls Leinölfarben nehmen weil nur diese auf dem Leinöllack haften. Ich musste Kilodosen nehmen und hatte meine liebe Not bei der Verarbeitung. Für das nächste Modell werde ich mir einfach Bootslack aus dem Lagerhaus holen, trotz aller Sympathie zu Wiener Traditionsbetrieben.
Auf den Fotos in der Zeitschrift hat mir das weit achtern liegende Cockpit nicht gefallen. Deshalb habe ich beim Design versucht ein "optisches Gegengewicht" zu schaffen so dass der Gesamteindruck ausgewogener erscheint.
Der Mast besteht aus Carbon-Rohr und soll teilbar werden. Dazu benötigt man aber gewickeltes Carbonrohr. Ich habe es mit normalem Rohr versucht bei dem die Fasern längs laufen, aber das ist definitiv nicht geeignet, und deshalb ist der Mast nicht teilbar. Es wird wohl nicht der letzte Mast sein den ich für dieses Boot gebaut habe.
Klaus Bartholomä empfiehlt, die Segel anfertigen zu lassen. Aber mich hat der Ehrgeiz gepackt, auch das Anfertigen der Segel selbst zu bewerkstelligen. Segelstoff mit 30g/m2 und transparentes Klebesegel beziehe ich als Gleitschirm-Reparaturmaterial.
Im Internet tobt eine Kontroverse um die Frage ob man Segel profiliert ausführen soll oder nicht. Allein schon wegen des Aussehens habe ich mich für die profilierte Variante entschieden. Ein erster Versuch, und dafür ist es flott von der Hand gegangen und gut gelungen.
Ostersonntag 2018, das Sharpie ist segelklar. Leider bläst es draußen seit Tagen mit Windstärke 7 und an eine Erprobung ist vorerst nicht zu denken.
Am Ostermontag ist es so weit!
Die Windprognosen waren sich nicht einig, aber am Nachmittag lässt der Wind nach und wir haben genau die richtigen Verhältnisse für eine erste Ausfahrt!
Welch ein Genuss! Am Wind fährt sie von alleine, wie es der Autor beschrieben hat. Sie läuft eine ansehnliche Höhe obwohl noch nicht alles optimal getrimmt ist. Aus jeder Blickrichtung ist sie eine Augenweide.
Empfohlenes Zubehör Nissan Almera. Er schmiegt sich schön um das Boot. :-) |
Danke, Klaus, für dieses wunderbare Ostergeschenk!
Details und Links:
LüA | ca. 120cm |
Mast | ca. 150cm |
Tiefgang | ca. 30cm |
Verdrängung | 4,7kg |
Kiel (komplett) | 2,6kg |
Ballast-Anteil | 55% |
RC-Funktionen | Segelwinde, Ruder |
optional: Genua ((noch) nicht realisiert) | |
Akku | 2S Lipo 1800mAh |
http://www.rc-network.de/forum/showthread.php/651811-Tiller-Sharpie-aus-SchiffsModell-07-2017
http://www.rc-network.de/forum/showthread.php/672333-Segel-selbst-herstellen
http://www.schiffsmodell-magazin.de/downloads/das-bauplanprojekt-tiller-sharpie/
https://www.schiffsmodell-magazin.de/download/1385/ Bauplan
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